Boden II

23. 07. 2021 bis 29. 08. 2021

Ausstellung "Les Fleurs du Mal"

Magdalena Hoffmann & Jens Lawrenz

 

Die Auseinandersetzung mit Charles Baudelaires  Gedichtzyklus „Les Fleurs du Mal“, der am Beginn der Moderne steht, kann immer nur ein andauernder Neu- und Gegenentwurf sein. Was vor nunmehr 150 Jahren noch eine ästhetische Neuheit war, ist seit langem ins Zentrum der künstlerischen Faszination gerückt. Das Irrationale, das Hässliche, die Abgründe des Menschlichen sind hinreichend abgebildet und beschrieben worden. Hinreichend, aber nicht umfassend genug. Wie die Schönheit hat sich das Abgründige gewandelt und tritt uns in immer neuen Formen entgegen, die es aufzuspüren und künstlerisch zu ergründen gilt.

In diesem Spannungsfeld begegnen sich die  gezeigten Skulpturen und Bilder und kommunizieren miteinander in einer „schönen“ und zugleich abgründig „hässlichen“ Sprachlosigkeit.

 

Wir leben hier im Lebuser Land in einer „Nachkriegslandschaft“. Die gewaltige, von der deutschen Kriegsmaschinerie in Gang gesetzte  und perfektionierte Massenauslöschung  ist hier immer noch allgegenwärtig und wird fast täglich in Form von Kriegsmaterialien und Kriegsopfern zutage gefördert. Und wir leben an der Grenze zwischen zwei Völkern, denen über Jahrhunderte Feindschaft und Aggression als Maßstab des Zusammenlebens von Politikern und Ideologen mitgegeben wurde.

Das ist das Material der gezeigten Bilder und Skulpturen im realen und übertragenen  Sinn. Als Fundstücke, aus denen sie entweder bestehen, oder Anlass zur Darstellung waren und die in dieser Landschaft oder im Kontakt und in der Zwiesprache mit den Toten zu „Blumen des Bösen“ geworden  sind und im Kunstobjekt eine neue Bestimmung erfahren haben. Ihr Auftauchen, das mit der „Totenbergung“ einhergeht, kommt einem verbotenem Ritual gleich. Die Gegenstände haben in der Nähe der Toten an morbider Bedeutung gewonnen wie sie an gegenständlicher Bedeutung verloren haben. Gleichzeitig bedeutungsschwanger und bedeutungsentleert legen sie ein unleugbares  Zeugnis tiefster Irrationalität ab! Sie sind im Kontakt und in der Zwiesprache mit den Toten zu „Blumen des Bösen“ geworden  und wollen  im Kunstobjekt eine neue Bestimmung, ja ein neues Leben erfahren. Den toten Soldaten und Zivilisten muss ein solches Anliegen verwehrt bleiben, das ist das Tragische an den Objekten und Bildern, die das zutiefst Sinnliche der zu Erde gewordenen Menschen in sich bergen und verwahren.

 

Aber auch „Bruchstücke“ der intensiven künstlerischen Auseinandersetzung der letzten Jahre werden sichtbar, vor allem mit den Filmen Andrej Tarkowskis und der Thematik des  Verschwindens des Menschen aus der Landschaft.

Es erscheinen aber  auch die überraschenden  Konstellationen eines gegenständlichen Zusammentreffens von vergangenen Bedeutungen, Sinnzuweisungen und der aufblitzenden Überwindung der geschichtlichen Irrationalität  im Kunstobjekt als Utopie einer vom Tod befreiten Landschaft, die damit vielleicht dem Fatum einer „Vorkriegslandschaft“ entgehen kann!

 

Sie sehen hier die Möglichkeiten und die Ergebnisse einer polnisch- deutschen Annäherung von zwei Künstlern, wie sie bei genauerer Betrachtung vielleicht auch die intendierte Annäherung und Verschmelzung des Bildlichen mit dem Gegenständlichen sehen können.

 

 

Magdalena Hoffmann und Jens Lawrenz